Philosophie Lexikon der Argumente

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Form, Philosophie: Form ist traditionell ein Gegenbegriff zu Materie oder Inhalt. Form ist die Struktur oder Anordnung von etwas. Sie ist die Art und Weise, wie etwas organisiert oder komponiert ist. Die Form findet sich in der Kunst, Musik, Literatur, Architektur, Natur und Sprache. Siehe auch Statue/Ton, Außen/innen, Ganzes, Teil, Dualismus, Substanz, Substrat, Veränderung, Prozess. B. In der Logik geht es darum, in welcher Form Aussagen aufgestellt werden müssen, um Schlüsse zu erlauben. Siehe auch Feinkörnig/grobkörnig, Vollständigkeit, Theorien, Systeme, Formalismus.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Stephen Jay Gould über Form – Lexikon der Argumente

I 44
Form/Natur/Physik/Gould: D'Arcy Wentworth Thompson (1942) vertrat prophetisch die Auffassung, dass Organismen durch physikalische Kräfte direkt geformt werden(1).
I 260
Form/Leben/Lebewesen/Evolution/Physik/Gould: Stabilität entsteht dadurch, dass ein Lebewesen groß genug ist, in einen Bereich vorzudringen, in dem die Schwerkraft jene Kräfte übertrifft, die sich an der Oberfläche abspielen. Da das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen mit dem Wachstum abnimmt, ist eine zunehmende Größe der sicherste Weg in diesen Bereich.
Die physikalische Umwelt der Erde enthält zahlreiche Lebensräume, die nur den Lebewesen zur Verfügung stehen, die größer sind als Einzeller.
Die Vielzelligkeit ist wahrscheinlich an mehreren Stellen unabhängig voneinander entstanden. Sie weist die beiden Hauptzüge der analogen Ähnlichkeit auf:
1. Sie ist relativ einfach zu erreichen und sowohl hochgradig anpassungsfähig als auch
2. der einzig mögliche Weg zu den Vorteilen, den sie mit sich bringt.
Sieht man von der Ausnahme der Straußeneier ab, können einzelne Zellen nicht sehr groß werden.
I 261
Die Vielzelligkeit ist wahrscheinlich sogar innerhalb der einzelnen Reiche mehrmals entstanden. Die meisten Biologen meinen, dass sie bei Pflanzen und Pilzen durch Amalgamierung eintrat. Diese Organismen sind die Nachkommen von Protistenkolonien. (Protisten: Einzeller, siehe Terminologie/Gould
).
Bsp Manche Volvox Kolonien mit einer festgelegten Anzahl von Zellen sind regelmäßig angeordnet. Die Zellen können in ihrer Größe differieren und die Fortpflanzungsfunktion kann auf diejenigen von ihnen beschränkt sein, die sich an einem Pol befinden.
I 264
Größere Tiere haben ein so niedriges Verhältnis von äußerer Oberfläche zu Volumen, dass sie zur Vergrößerung der ihnen zur Verfügung stehenden Oberfläche innere Organe ausbilden müssen.
I 288
Verhältnis von Oberfläche zu Volumen: Das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen ist bei kleinen Lebewesen sehr hoch. Wärme wird durch das Volumen des Körpers erzeugt, und an seiner Oberfläche abgestrahlt. Daher haben warmblütige Tiere einen besonders hohen Energiebedarf. Bsp Feldmäuse müssen die ganze Zeit über fressen. Das Verhältnis war bei den großen Dinosauriern so gering, dass sie ohne Isolierschicht auskommen konnten.
I 311
Form/Leben/Physik/Größe/Gould: Gould: Die Figur des Morgan in E. L. Doctorows "Ragtime" hatte unrecht, wenn er dachte, dass große Säugetiere geometrische Kopien ihrer kleineren Verwandten seien. Elefanten haben verhältnismäßig größere Gehirne und dickere Beine als Mäuse. Recht hat er insofern, als größere Tiere kleineren Verwandten in derselben Gruppe oft ähnlich sind.
Galilei gab schon ein klassisches Beispiel: Bsp Die Stärke eines Beins ist eine Funktion des Querschnitts. Das Gewicht, das die Beine tragen müssen, variiert mit dessen Volumen.
Damit die Körperfunktionen gleich bleiben, müssen die Tiere, wenn sie größer werden, ihre Form ändern: "Skalierungstheorie". Bsp Von der Krabbenspinne bis zur Tarantel reicht die Skala von Verwandten bis zum tausendfachen Körpergewicht des kleinsten Exemplars.
Auch hier verläuft die Skala regelmäßig: Die Dauer des Herzschlages steigt im Vergleich zum Körpergewicht nur 4/10 mal so schnell.
I 312
Kleine Tiere bewegen sich viel schneller durchs Leben als große, ihr Herz schlägt rascher, sie atmen häufiger, ihr Puls ist schneller ihr "Lebensfeuer ist schneller "verbrannt": Die Stoffwechselrate nimmt bei Säugetieren nur um drei Viertel so schnell zu, wie das Körpergewicht. Kleine leben tendenziell kürzer als Große.
I 313
Der homo sapiens lebt allerdings weit länger als ein vergleichbares Säugetier gleicher Größe: Siehe Neotenie/Gould.
Es soll keineswegs die Bedeutung der astronomischen Zeit geleugnet werden, Tiere müssen sie messen, um zu überleben.
I 315
Atemdauer und Herzschlag nehmen etwa 0,28 Mal so schnell zu wie das Körpergewicht; das Körpergewicht kann man kürzen, wonach für Säugetiere jeder Körpergröße übrigbleibt, dass sie bei etwa 4 Herzschlägen einmal atmen. Für alle Säugetiere unabhängig von der Größe gilt auch, dass sie während ihres Lebens etwa 200 Mio mal atmen, das Herz also etwa 800 Mio mal schlägt.
I 318 ff
Es gibt magnetotaktische Bakterien, die sich nach den Feldern ausrichten und sich entsprechend bewegen. Sie widerstehen damit dem Mechanismus der Brownschen Bewegung. Man fand heraus, dass die Magnete im Körper der Bakterien in Form von ungefähr 20 kleinen Partikeln verteilt sind.
Frage: Warum gibt es diese Verteilung des Magnetismus auf Partikel, und warum sind diese Partikel etwa 500 Angström groß (1 Angström = 1 Zehnmillionstel Millimeter).
Sie schließen sich im Körper der länglichen Bakterien zu einer Kette zusammen.
I 320
Wären diese Partikel nun etwas kleiner (etwa ein Fünftel kleiner), dann wären sie "superparamagnetisch", d.h. bei Zimmertemperatur könnte eine magnetische Neuorientierung der Partikel bewirkt werden. Wären sie hingegen z.B. doppelt so groß, bildete sich innerhalb der Partikel ein eigener magnetischer Bereich, der in verschiedene Richtungen wiese.
Was kann ein so kleines Lebewesen mit einem Magnetfeld anfangen? Der Bewegungsspielraum während der wenigen Minuten ihrer Existenz beträgt wahrscheinlich nur einige Zentimeter. Da fällt es doch nicht so sehr ins Gewicht, in welche Richtung es geht.
Es kann nun für eine Bakterie entscheidend sein, sich nach unten zu bewegen. Nun ist die Schwerkraft eigentlich ohne Magnetfeld mindestens genauso gut zu spüren. Das gilt aber nur für große Lebewesen.
I 322
Insekten und Vögel leben in einer Welt, die von Kräften beherrscht ist, die auf die Oberfläche einwirken. Einige können auf dem Wasser laufen oder von der Decke herunter hängen, weil die Oberflächen Spannung so stark und die Gravitation relativ schwach ist.
Die Gravitation macht den Insekten kaum zu schaffen, den Bakterien überhaupt nicht.
- - -
IV 17
Formen/Biologie/Gould: Darwin: These: Form folgt der Funktion.
IV 19
Es ist die Frage, wie eine Form sich kontinuierlich entwickelt.
IV 27
Adaption/Anpassung: Wir sollten nicht folgern, dass die von Darwin angenommene Anpassungsfähigkeit an eine lokale Umwelt uneingeschränkte Macht besitzt, theoretisch optimale Entwürfe für alle Situationen zu erzeugen. Die natürliche Selektion kann nur auf vorhandenes Material zurückgreifen. Dies ist ein klassisches Dilemma der Evolutionstheorie.
IV 151
Formen/Evolution/Gould: das vielleicht schwierigste Problem der Evolution: Wie können neue komplexe Formen (nicht einfach nur einzelne adaptiv vorteilhafte Eigenschaften) entstehen, wenn jede einzelne Form Tausender von Einzelveränderungen bedarf und wenn Zwischenstufen keine lebensfähigen Exemplare hervorbringen?
Lösung: Neue Formen brauchen gar nicht Stück für Stück zu entstehen, sondern koordiniert durch die Betätigung eines "Hauptschalters" wird ein Entwicklungsprogramm gestartet.
IV 337
Form/Organismen/Evolution/Gould: Oberflächen wachsen mit dem Quadrat der Länge, Volumina mit der dritten Potenz der Länge, also viel schneller. Deshalb besitzen kleine Tiere, verglichen mit ihrem Volumen, große Oberfläche(und müssen mehr fressen).


1. D' Arcy Wentworth Thompson, On Groth and Form, 1917, Cambridge University Press, https://openlibrary.org/books/OL6604798M/On_growth_and_form. (access date 12.01. 2018)

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gould I
Stephen Jay Gould
Der Daumen des Panda Frankfurt 2009

Gould II
Stephen Jay Gould
Wie das Zebra zu seinen Streifen kommt Frankfurt 1991

Gould III
Stephen Jay Gould
Illusion Fortschritt Frankfurt 2004

Gould IV
Stephen Jay Gould
Das Lächeln des Flamingos Basel 1989

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